Alfred A. Tomatis

Alfred TOMATIS wurde am 1. Januar 1920 in Nizza geboren und verstarb am 25. Dezember 2001 in Carcassonne.
Er war ein französischer HNO-Arzt der Pariser Medizinfakultät, ein Spezialist für Gehör- und Sprachstörungen.

Als Sohn eines berühmten Sängers, Humberto TOMATIS, eines lyrischen Basses an der Pariser Oper, war er von früher Kindheit an mit der Welt der Musik und der Oper vertraut.

Diese sowohl private als auch medizinische Beschäftigung mit dem Gehör sollte einen beträchtlichen Einfluss auf die Karriere von Alfred Tomatis haben. Er entwickelte bald ein lebhaftes Interesse an der Beziehung zwischen Gehör und Stimme.

Um die Methode des Alfred Tomatis richtig zu verstehen, muss man auch wissen, dass er ein exzellenter Facharzt war, dessen größte Sorge dem Wohlergehen seiner Patienten galt, sei es in der Klinik oder in seiner eigenen Praxis, wo ihn Schwerhörige und Sänger mit Stimmproblemen, anfangs oft Freunde seines Vaters, aufsuchten.

Tomatis war vor allem ein unvergleichlicher Analytiker mit einer außergewöhnlichen Intuition. Die unzähligen klinischen Beobachtungen, die er im Zuge seiner Forschungsarbeiten über berufliche Taubheit im Auftrag des Arbeitsministeriums und des Ministeriums für Luft- und Schifffahrt anstellte, ermöglichten es ihm, eine Beziehung zwischen Gehör und Stimme und – daraus folgend – zwischen Zuhören und Kommunizieren herzustellen.

Als Tomatis Ende der 1940er Jahre Arbeiter untersuchte, die an beruflicher Taubheit litten, bemerkte er, dass die Veränderungen an ihrem Gehör stets mit stimmlichen Problemen einhergingen.

Gleichzeitig war er auch als Berater für Sänger tätig, die über Stimmstörungen klagten. Als er diese Sänger Audiogramm-Tests unterzog, stellte er fest, dass ihr Gehör das gleiche audiometrische Profil wie das der Arbeiter aufwies. So kam er bald zu der Erkenntnis eines fundamentalen Zusammenhangs, dass jemand nur die Töne vokal reproduzieren kann, die er oder sie auch präzise zu hören vermag.

Schließlich formulierte er Hypothesen, die seine klinischen Beobachtungen erklärten und als „Tomatis-Effekt“ bekannt geworden sind. Diese Hypothesen wurden im Rahmen von Forschungsarbeiten an den Pariser Medizinischen und Wissenschaftlichen Fakultäten 1957-1960 in drei Gesetzen zusammengefasst:

1.Die Stimme enthält nur, was das Ohr hören kann. (Oder: Der Kehlkopf kann nur die Frequenzen produzieren, die das Ohr hören kann.)
2.Wenn das Hören beeinflusst wird, wird auch die Stimmgebung sofort und unbewusst verändert.
3.Eine über einen gewissen Zeitraum durchgeführte Stimulation unter dem Elektronischen Ohr verändert dauerhaft das Hörvermögen und damit auch die Phonation (Remanenzgesetz).

Aus seiner inneren Einstellung als Arzt heraus konnte er im Laufe der folgenden Jahre ein Gerät entwickeln, das durch ein Training des Ohres zu einer neuen, verbesserten Stimmgebung führte. Das „Elektronische Ohr“ wurde bei der Weltausstellung von Brüssel im Jahr 1958 offiziell präsentiert und brachte seinem Erfinder die Goldmedaille für wissenschaftliche Forschungen und im Jahr 1962 die „Grande Medaille de Vermeil“ der Stadt Paris ein.

In der Folge führte ihn seine Forschungstätigkeit zur Beschäftigung mit dem Erlernen von Fremdsprachen. Er wies nach, dass in der sprachlichen Analyse jede Sprache durch eine spezifische Frequenzzone, das ‚Passierband‘, charakterisiert wird.

Dann, gegen Ende der 1950er Jahre, begann er sich mit der Frage der Verwandtschaft zwischen Gehör und der Lesefähigkeit zu beschäftigen. In den Folgejahren wandte er seine Technik an, um Kindern mit Leseschwierigkeiten zu helfen.

Zu Beginn der 1960er Jahre kam ihm eine andere Frage in den Sinn: die des möglichen Einflusses von Tönen auf den Menschen vor der Geburt.
In dieser Periode der Frage nach der Hörerfahrung im Mutterleib verlagerte Tomatis seinen Schwerpunkt von der reinen Audio-Phonologie (dem Gebiet der Hör-Stimm-Beziehung) auf das Gebiet der Audio-Psycho-Phonologie.

Nun begann Tomatis mit der Anwendung einer Klangtherapie mit gefilterten Klängen, die seiner Meinung nach die Lebensbedingungen im Mutterleib wiederherstellen. Dies ermöglicht einer Person mit Beziehungs- und Kommunikationsproblemen, die Gefühle und Erfahrungen der ersten Entwicklungsstadien im Mutterleib wieder zu erleben.

Durch ständige Weiterentwicklung und stete klinische Beobachtung schuf Alfred Tomatis in den folgenden zwei Dekaden die später als TOMATIS®- Methode bekannt gewordene Behandlungsform. Sie ist eine eigenständige Disziplin, die verschiedene Betrachtungsweisen darüber, wie das menschliche Wesen sich entwickelt, Informationen aufnimmt und verarbeitet, wie es mit sich und anderen kommuniziert, miteinander verbindet.

Diese Disziplin, von der einige Aspekte unter dem Begriff Audio-Psycho-Phonologie zusammengefasst werden, liegt an den Schnittstellen der modernen Humanwissenschaften und befindet sich heute mehr als je zuvor in ständiger Weiterentwicklung, so wie es sich ihr Begründer auch sehnlichst wünschte. Ihre außergewöhnliche Bedeutung lässt sich daraus ableiten, dass sie keine andere etablierte Wissenschaft ersetzt oder mit ihr konkurriert, sondern ganz im Gegenteil die positiven Aspekte der anderen Disziplinen, die sich der Förderung und Entwicklung des menschlichen Wesens widmen, miteinander verknüpft und dadurch erst zur vollen Wirkung bringt. Daher werden auch die Anwender der Tomatis®- Methode, deren Zahl sich seit dem Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts weltweit stark vergrößerte, als professionelle Spezialisten sehr geschätzt.

Neben seiner Karriere als Kliniker trat Alfred Tomatis oft als Gast bei Tagungen mit Vorträgen in Erscheinung. Außerdem lehrte er lange Jahre an der Schule für Anthropologie und an der Schule für angewandte Psychologie in Paris sowie an mehreren Universitäten im englischen Sprachraum. Unzählige Bücher, Artikel und Interviews wurden zum Teil in viele Sprachen übersetzt und eröffnen heute einen schnelleren Zugang zu den Grundlagen der Tomatis®– Methode.

Literatur

(deutschsprachig):
Alfred A. Tomatis: Der Klang des Lebens, Rowohlt Taschenbuch VLG, Reinbek 1987
Alfred A. Tomatis: Klangwelt Mutterleib, Kösel-Verlag GmbH, München 1994
Alfred A. Tomatis: Das Ohr und das Leben, Walter Verlag, Düsseldorf 1995
Alfred A. Tomatis: Der Klang des Universums, Artemis und Winkler, Düsseldorf und Zürich 1997
Alfred A. Tomatis: Das Ohr – die Pforte zum Schulerfolg, Verlag Modernes lernen, Borgmann KG, Dortmund 1998